Alles, was ich jetzt mache, baut auf Rickenbacker’s auf! ist eine Konsequenz daraus…
In der Blues-Garage, an einem Donnerstag im Juni (am 15.6.23, um genau zu sein), während und nach einer Jamsession mit der polnischen Band Lucky Troubles…
FK: Seit wann bist du eigentlich ins Rickenbacker’s gekommen?
KL: Seit ich vor 5 Jahren nach Berlin gekommen bin. Davor habe ich lange in Italien und Münster gelebt.
Und dann bin ich einfach mal hingegangen, ins Rickenbacker’s, weil ich gelesen hatte, da gibt es Livemusik! Hab mir das angeguckt und gesehen, dass es diese Jamsessions gibt, und dann bin ich regelmäßig zum Rickenbacker’s gegangen.
Und ich hab es geliebt! Weil man superguten Musikern zuschauen und zuhören konnte, die nicht nur in Berlin ansässig waren. Es gab Musiker aus der ganzen Welt, die irgendwie vom Rickenbacker´s gehört hatten. Und mit diesen wunderbaren Künstlern konnte man sogar zusammen spielen!
Und das war für mich dann eine feste Institution.
Ich kannte zuerst auch keinen anderen Laden, eben nur das Rickenbacker’s. Und dann erst später, so nach 2 Jahren, habe ich mich mal umgeschaut, habe gesehen, es gibt auch woanders Jamsessions, aber die im Rickenbacker’s waren immer die besten. Da stimmte einfach alles: die Offenheit, für Musiker aus aller Welt, die da eben auch hingekommen sind, weil sie irgendwo davon gehört oder gelesen hatten.
Und da stimmte der Sound, man konnte sich immer gut hören; hatte viel Spaß beim Zuhören, eben auch weil der Sound gut war. Aber auch die Musiker haben sich da einfach extrem wohl gefühlt. Weil man immer sicher war, dass man sich gut hört (durch die Monitore auf der Bühne); es gab einen Techniker, den man ansprechen konnte. Wenn was nicht so optimal war, dann hat er das immer hingekriegt, den Monitor lauter gestellt und dafür gesorgt, dass man sich selbst gut hörte.
Und vom sozialen Aspekt her: man hat unheimlich viele Leute kennengelernt, ist unheimlich gut ins Gespräch gekommen, mit Musikern, die man sonst niemals hätte kennenlernen können, und es hat ein unheimlich lebendiger Austausch stattgefunden, auf menschlicher Ebene, aber eben auch auf musikalischer.
Und so was gibt es meines Erachtens in Berlin nicht noch einmal, jedenfalls nicht in dieser Form. Es gibt andere tolle Sachen, aber so dieses Gesamtpaket im Rickenbacker’s, das hat eben gestimmt.
Dazu gehört auch, dass es eigentlich keinen Ärger mit der Polizei gab, das ist ja auch wichtig, wenn man Musik macht. Man musste nicht immer Angst haben, dass es zu laut ist. Man konnte einfach wirklich ganz frei für die Musik leben und den ganzen Abend die Musik genießen.
Das Rickenbacker’s und die Jamsessions, das war ’ne Riesenentdeckung für mich!
FK: Welche Orte würdest du sonst noch empfehlen?
KL: Die Blues-Garage: ist schön, aber nicht vergleichbar: es ist klein, die Zeiten sind anders: nur donnerstags gibt es Musik, es gibt keine richtige Bühne, ist mehr wie ein Wohnzimmer…
(FK: und gutes Licht gibt es auch nicht!)
Und das Rickenbacker’s hatte eben auch eine richtige Bühne und trotzdem war es noch familiär.
FK: Auch beim Rickenbacker’s haben ja Leute gesagt, es ist ihr „zweites Wohnzimmer“, aber vielleicht aus anderen Gründen!
KL: Ja, und es hatte mehr Potential.
Man konnte eben wirklich jeden Abend hin und hat Livemusik gefunden. Hier, in der Blues-Garage ist es eben Kneipe und man kann sich an einem Abend in die Ecke setzen und Musik hören. Und im Rickenbacker’s war einfach alles auf die Musik ausgerichtet. Mit Technik, mit PA, mit Bühne, mit Lightshow…, mit allem Drum und Dran und trotzdem war es eben familiär, auch mit dem Personal… Es war wirklich alles wie eine Familie. Das war das Tolle am Rickenbacker’s und ich wüsste einfach nicht, wo/wie es so was noch mal gibt. Es ist einfach soooo schade, es fehlt!
Es war eigentlich eine Eckkneipe mit Musik, eine Urkneipe!
Zu anderen Läden: das Yorckschlösschen z.B. ist auch gemütlich – vor Allem im Winter – und die Qualität ist gut; ist also dann eine gute Alternative; es hat auch eine gemütliche Atmosphäre wie das Rickenbacker’s.
Ansonsten müsste ich mich mal mehr schlau machen, ich wüsste momentan gar nicht so richtig, was es sonst noch gibt.
Gut, das B-Flat: aber das ist mehr Jazz und auch eine ganz andere Szene. Das ist auch eine andere Nummer. Aber interessant und da nehme ich mir vor auch unbedingt wieder hinzugehen. Ich habe da mal gespielt, aber… es ist ein bisschen etepetete, aber ein superschöner Laden, auch ein richtiger Musikladen, wo der Sound gut ist.
Die Nachfolgeorte: Art Stalker: die Atmosphäre ist anders, es ist nicht so gemütlich, nicht so verbindlich; es gibt zwar eine Bühne und Sitzplätze, nette Leute (auch viele vom Rickenbacker’s!), gar keine Frage, aber es ist eben keine Kneipe, es ist einfach nur ein Raum, wo ’ne Bühne ist und Sitzplätze. Es ist auch schön, aber es kommt nicht ran an die Atmosphäre vom Rickenbacker’s. Es ist einfach nicht so „kneipig“!
Das, was sich im Rickenbacker’s im Lauf der Jahre herausgebildet hat, das war wirklich einmalig! Und ich vermisse es wirklich sehr, dieses Loch, das hat noch kein anderer Veranstaltungsort, der als Post-Rickenbacker’s gehandelt wird, gefüllt. Ok, diese Nachfolgeorte (Pview, Art Stalker etc.), die müssen vielleicht auch erstmal wachsen.
Aber das Rickenbacker’s: Es war einfach so SCHÖN! Oh Mann, ich vermisse es!
FK: Bist du eigentlich hauptsächlich zu den Sessions gegangen? Was war das Besondere?
KL: Diese drei Tage waren einfach magisch. Die Konzerte waren auch toll, aber… die Sessions waren einfach magisch, diese drei Tage mit den unterschiedlichen Sessionleitern und Opener Bands:
– montags Funk und Soul mit Jay (Jürgen) Bailey,
– dienstags Blues mit Heinz Glass
– und der Mittwoch Rock/Mainstream mit Jovi.
Man wusste genau, was man bekam. Man konnte hin, ohne Eintritt, zu jeder Uhrzeit, man musste nicht pünktlich um neun da sein. Und man fand da „seine“ Leute wieder und konnte sich darauf verlassen: seine Leute, seine Musik. Es war so locker und man konnte auch ganz spontan überlegen: „ach, heute Abend geh ich noch ins Rickenbacker’s!“ Zumal ich da auch nicht so weit weg wohne und das war für mich natürlich die Location, die am wichtigsten war. Und jetzt gibt es ja nichts mehr da.
Dieser Rhythmus war auch einfach wichtig:
Angela hat sich da natürlich sehr reingehängt, auch gezielt gesucht nach Orten, und jetzt im Art Stalker z.B. gibt es zwar wieder Sessions, aber es ist jetzt einfach ein anderer Rhythmus: sie wechseln sich ab, Jürgen, Heinz und manchmal auch Jovi: Dienstags, das weiß ich, und es ist auch im Zweifel gut. Aber ich bin nie sicher, wer eigentlich diese Woche spielt! Im Rickenbacker’s war einfach Montag, Dienstag, Mittwoch, das war immer gleich, über Jahrzehnte.
Und es ist klar, dass das einem ans Herz wächst und es auch eine Bindung gibt, letztendlich. Weil man sich drauf verlassen kann.
(Gut, man könnte sagen, im B-Flat ist mittwochs immer die Session, das ist auch gewachsen. Das wird ja auch immer von ein und demselben gemacht. Aber es ist natürlich ’ne andere Szene.)
Was bei den Jamsessions auch so wichtig war: die Kombi war gut: neben alteingesessenen Musikern, die seit Jahrzehnten da waren, die einfach zum Inventar gehörten, wo man genau wusste, man findet die vor, an dem Tag oder jenem, gab es gleichzeitig auch die enorme Offenheit für solche aus der ganzen Welt, die da auf die Bühne gestiegen sind und sich präsentiert haben, mit denen man zusammenspielen konnte, die man kennenlernen konnte; und diese Kombi, das war niemals anonym, sondern familiär. Weil eben auch immer mindestens genauso viele von den alteingesessenen da waren. Und dadurch war das so eine besondere Mischung: man hat immer was Neues entdeckt und gleichzeitig das Alte, Bewährte wiedergefunden. Und diese Mischung war einzigartig.
Auch vom Alter her war es gemischt: es gab jede Altersgruppe, es gab Junge im Publikum und Alte und Uralte. Und es gab junge Leute, sehr junge Leute, Erwachsene, Ältere und Superalte auf der Bühne. Und die haben zusammen die Musik gefeiert und die Musiker, das Publikum und die Bedienung gefeiert. Also, das war so ein gegenseitiges Wertschätzen. Es war wie ein Zahnrad, da hat alles ineinander gegriffen.
Und das hat es eben auch so einzigartig gemacht. In anderen Läden ist das nicht so gewachsen (oder auch nicht so konzipiert.)
Es war auch viel kommunikativer, so offen, die waren einfach so gut drauf…
Hinterher versucht man immer zu analysieren, was es ausgemacht hat…
Und das war ja auch eben das Ding:
es gab sozusagen “Musiker zum Anfassen”, man war auf du und du, kam über die Musik auch auf andere Themen. Das Publikum war genauso fester Bestandteil der Show und die Musiker brauchten die Zuschauer.
Sie sind eigentlich miteinander verschmolzen, sind sich auf Augenhöhe begegnet, haben sich gegenseitig geschätzt und gefeiert. Auch das Publikum wurde ja abgefeiert. Jeder wusste, dass es zusammen gehörte, Publikum und Musiker. Man brauchte sich gegenseitig und hatte sich gegenseitig auch gern und schätzte sich.
FK: Und wie hast du eigentlich mit der Musik angefangen?
KL: Ach, das ist so lange her. Ich habe immer schon Musik gemacht. So „on-off“, mal mehr, mal weniger.
Als Kind habe ich mit Flöte und Querflöte angefangen und bin dann irgendwann zum Saxophon gekommen, weil es mich gereizt hat. Aber Musik war immer Teil meines Lebens.
In Italien habe ich weiter Unterricht genommen, dann gab es auch kleine Formationen, wo ich mal mitgespielt hab, in Bands, auch in Orchestern und Big Bands. Aber Jamsessions habe ich erst wirklich in Berlin im Rickenbacker’s kennengelernt.
Danach, nach dieser Erfahrung, habe ich dann auch in Italien welche gesucht und gefunden, also, da gibt es auch Jamsessions, nicht so viele wie in Berlin, aber da gehe ich dann auch regelmäßig hin, wenn ich da bin.
Aber erst durchs Rickenbacker’s ist der Begriff „Jamsession“ für mich konkret geworden, weil ich da gesehen habe: ach ja, die spielen und da kann man auch mitspielen. Es ist einfach ein unglaublicher Reiz, sich auszuprobieren, mal auf die Bühne zu gehen, aber auch einfach die Leute kennenzulernen.
FK: Hattest du eigentlich bestimmte Tage, an denen du gekommen bist?
KL: Im Rickenbacker’s war ich an allen drei Tagen, bei Jürgen, Heinz und Jovi; habe auch Kontakte zu Bands geknüpft und z.B. bei Leeman mitgespielt.
War ’ne zeitlang viel bei Jovi, dann bei der Funk- und Bluessession, das hat sich abgewechselt. Ab und zu auch mal ein Konzert, so am Wochenende. Aber im Prinzip hauptsächlich zu den Sessions. Da kamen auch mal Kontakte zustande mit Bands, die mich dann auch mal angesprochen haben, wo sich das so ein bisschen erweitert hat.
Aber es war schon sehr fundamental für mich, dieses Rickenbacker’s. Das war wirklich eine Weiche. Alles, was ich jetzt mache, ist eine Konsequenz daraus. Der Anstoß ging vom Rickenbacker’s aus: die Bekanntschaften, die Jamsessions, das Konzept, und dann auch entdecken, wo es so etwas noch gibt.
FK: Das kommt mir so bekannt vor!
KL: Bei dir war es auch so ähnlich?
FK: Absolut! Nur eben mehr mit Fotos…
Nachtrag: im Februar 2024, nach einem Konzert mit Blues Deluxe:
KL: Was sich inzwischen getan hat: Dass ich noch viel mehr den Fokus in meinem Leben auf die Musik gelegt habe. Ich spiele bei verschiedenen Bands mit (Blues Deluxe, Boys of Summer, Leemann & The Gang, Combo 59 und andere) und bin auch nach wie vor oft auf den Sessions. Yorckschlösschen, Blues Garage, Canova (ein neuer Laden in Friedenau) und andere. Mittlerweile ist die Vielfalt in Berlin noch mehr gewachsen: Neue Locations, viel Livemusik. Aber es bleibt immer dasselbe: Es gibt kein zweites Rickenbacker´s. Es gibt niemanden, der das Rickenbacker´s kannte und ihm nicht nachweint!
(Katharina lebt vom Beruf Pferdewirt, gibt Reitunterricht (in Berlin und Italien), macht eine Ausbildung am Goethe-Institut als DaF-Lehrerin, damit sie auch online und orts-unabhängig arbeiten kann, pendelt zwischen Italien und Berlin)